Herzlichen Glückwunsch – R&H wird 30! Sollten wir das feiern? Und wie wir das sollten! Schließlich ist das eine Hausnummer, die erstmal erreicht werden will!
Vielleicht fragt ihr euch, wie es dazu kam, dass wir heute da stehen, wo wir stehen –
und uns insbesondere als Agentur für Livemarketing einen Namen gemacht haben? Verrückt, denn genau dasselbe hat sich die Redakteurin dieser Interview-Reihe auch gefragt und sich kurzerhand Frank Rothkopf, einen der OGs („Original-Gründer“) der Rothkopf & Huberty Werbeagentur GmbH, geschnappt. Denn wie es unser Agenturname leise andeutet, ist er als einer der Namensgeber seit Beginn an auch geschäftsführender Gesellschafter. Wenn also jemand Bescheid weiß, dann er!
Mit dieser Vorgeschichte hat er sich auch das Vorrecht ergattert, uns als erster Rede und Antwort zu stehen und ein bisschen aus dem guten, alten Nähkästchen zu plaudern. Von den spannenden, leicht chaotischen Anfängen bis zum Best-of des Agenturlebens. Dabei ist eins klar: Mit einer handvoll Fragen können wir dieses Lebenswerk nicht mal eben abdecken. Also haben wir uns diese prominiente „30“ als Aufhänger geschnappt und kurzerhand ein etwas längeres, aber wahnsinnig unterhaltsames Gespräch mit unserem Frank Rothkopf geführt. Den ersten Teil des Interviews könnt ihr euch jetzt direkt zu Gemüte ziehen. Teil 2 folgt dann zeitnah.
Und damit dieses Intro nicht länger wird als das Interview, starten wir jetzt einfach mit:
30 JAHRE – 30 FRAGEN AN FRANK ROTHKOPF (PART 1)
1993 – das Jahr, in dem alles begann. Aber wie begann es überhaupt? Frank, wie kam es dazu, dass du und dein ehemaliger Kollege Philipp Huberty die Agentur gegründet habt? Was war der Auslöser? Erzähl mal.
Rüttelplattenverdichter. Man könnte sagen, der Auslöser waren Rüttelplattenverdichter… Aber vielleicht fange ich besser mal von etwas weiter vorne an. Philipp und ich waren in den 90igern als Team für verschiedene Agenturen tätig. Er im Bereich der Konzeption, ich für visuelle Kommunikation – denn ich bin ausgebildeter Diplom-Designer. Eines Tages erhielten wir mal wieder ein Briefing von der Agentur, für die wir aktuell arbeiteten: eine Broschüre sollte erstellt werden – für eben jene Rüttelplattenverdichter. Und als wir da so saßen in unseren Lieblings-Fischrestaurant in Kaiserswerth und uns ein passendes Konzept überlegen wollten, kam uns die Erleuchtung. Nur anders als erwartet.
Die Erleuchtung? Das klingt ein bisschen als wäre da vielleicht auch ein Glas Wein im Spiel gewesen?
Möglich… Aber am Ende zählt nur das Ziel und das war an diesem Abend klar: wir haben uns nicht für den Rest unseres Lebens als anonyme Broschüren-Gestalter für Baumaschinen und Co. gesehen. Also stellten wir uns die Frage, ob wir nicht einfach mal was Eigenes versuchen sollen und haben unseren sicheren Job an den Nagel gehängt.
Okay, aber so ganz ohne Seil und doppelten Boden ist das ja ein ziemlich gewagter Schritt in die Selbstständigkeit, oder?
Sagen wir es so, unsere Entscheidung jetzt unser eigenes Ding zu machen, war nicht so ganz aus der Luft gegriffen. Ich hatte kurze Zeit vorher zufällig einen Erfinder kennengelernt, der ein innovatives Verhütungsmittel für den Mann entwickelt hatte – jedoch ohne die notwendigen klinischen Studien. So kam es, dass wir trotz der groß angelegten Kampagne, zahlreichen Veröffentlichungen, Fernsehauftritten und Radiointerviews, die erhofften Millionen für uns dann doch ausblieben. Faktisch haben wir nichts monetäres an dem Job verdient, aber gesehen, dass wir durchaus in der Lage sind, unsere Kompetenzen werbewirksam einzusetzen. Bei unserer alten Agentur hatten wir eh gekündigt. Es gab also nur den Schritt nach vorne.
Das heißt es wurde ernst?
Ja, am 01. April 1993 wurde dann die Rothkopf & Huberty Werbeagentur geboren – und zwar an den begehrten Agentur-Hotspots Essen und Korschenbroich; Abfahrt Flur – Richtung Wohnzimmer… Von diesen beiden Standorten ausgehend haben Huberty und ich, in Zeiten, wo es noch keine E-Mail gab, begonnen unsere Agentur aufzuziehen. Wir mussten ja erstmal einen Kundenstamm aufbauen. Aber wie? Tja, und dann kam die erste sagenumwobene Broschüre ins Spiel.
Das klingt nicht danach, als wärt ihr auf ein klassisches 08/15 Faltblatt gegangen…
Stimmt genau! Unsere Überlegung war, dass die Broschüre natürlich Aufmerksamkeit erregen soll – und eine Broschüre, die Aufmerksamkeit erregt, ist nicht einfach ein gedrucktes Produkt, sondern ein visuelles Erlebnis. Individuell gestaltete Seiten, mit denen man interagieren kann, mit Holzbindung, verstärkt mit Schrauben und eingebundenen in offener Wellpappe.
Da war die Konzeption des Ganzen noch der einfachste Teil, aber bekomm 1993 mal ne offene Wellpappe!
(Anm. d. Red: aus Platzgründen wurde der Exkurs über Wellpappe der 1990iger Jahre, deren Zusammensetzung und Beschaffung gestrichen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an Frank Rothkopf oder Ihren lokalen Wellpappe-Dealer.)
Zum Glück habt ihr aber doch noch die passende Pappe bekommen! Insgesamt gab es von dieser „Broschüre“ 100 Exemplare, die ihr da in Heimarbeit angefertigt habt. Hat sich der Aufwand denn gelohnt?
Naja, die Rückmeldequote war eher mau, unser Erspartes neigte sich langsam dem Ende zu und so mussten wir uns überlegen, wie es weiter gehen soll. Die zwei Standorte waren jedenfalls nicht zielführend. Daher mieteten wir unsere ersten Agenturräume für schlanke 400 Mark in einem Kellerraum in Düsseldorf an. Und da uns das tagelange Zocken von Videospielen auch nicht die erhoffte Kundschaft brachte, mussten wir dann selbst zum Telefon greifen. Wir standen schließlich mit dem Rücken zur Wand. Wenn wir jetzt keine Kunden gewinnen, dann machen wir zu, bevor wir richtig aufgemacht haben.
Oha! Da wir jetzt, 30 Jahre später, dieses Interview führen, muss sich deine Akquise-Tätigkeit wohl ausgezahlt haben?
Kann man so sagen. Von den 100 oder 110 Leuten, die wir angerufen habe, gaben uns 27 Termine. Gut, viele wurden dann doch wieder kurzfristig abgesagt. Aber bei den verbliebenen war dann auch die Drehtabakmarke Drum dabei – und die sollte unsere Agentur ordentlich umkrempeln.
Der Startschuss für R&H wie wir es jetzt kennen?
Sozusagen, aber auch hier war – wie so oft bei R&H – der Zufall unser Wegbereiter. Nachdem wir uns dem Marketingleiter von Drum – damals Weltmarktführer im Bereich Drehtabak – als klassische Agentur vorgestellt haben, stellte er uns DIE Frage, weshalb wir heute als Agentur für Livemarketing bekannt sind, nämlich: „Könnt ihr auch Event?“ und wir so: „Na klar!“, denn das Wasser stand uns echt bis zum Hals. Bei dem saftigen Etat, der dabei im Raum stand, konnten und wollten wir nicht nein sagen. Und so hatten wir dann plötzlich die Chance als völlig unbekannte Zwei-Mann-Agentur an einem lukrativen Pitch teilzunehmen.
Lass mich kurz die Spannung vorwegnehmen: Wir gingen als Sieger hervor. Denn zu dieser Zeit sah Live-Marketing immer gleich aus. Die renommierten Agenturen kauften sich als Sponsor bei irgendwelchen großen Konzert-Giganten wie den Rolling Stones oder der guten alten Tina Turner (RIP) ein und dann war das Geld auch schon verprasst. Da fiel unsere Idee der Groovin‘ Docks Boat Party schon so ziemlich aus dem Rahmen.
Das klingt nach dem ersten Highlight für Rothkopf & Huberty. Erzähl mal, was wir uns darunter vorstellen dürfen.
Wir wollten etwas machen, über das noch lange, nachdem es schon vorbei ist, gesprochen wird. Etwas, das den Leuten im Kopf bleibt. Ein Markenerlebnis, wenn du das so nennen magst. So kreierten wir für Drum eine eigene Bootparty-Veranstaltungsreihe. Ein von uns umgebauter Kohlefrachter wurde zur Konzertbühne mit Bar und allem Pipapo. Er diente dann als schwimmende Konzert- und Partylocation in insgesamt 16 Städten. Einmal rauf von Frankfurt bis nach Berlin in 6 Wochen. Also ja. Das kann man wohl als Highlight bezeichnen, denn Partys auf Booten gab es damals in der Form, anders als heute, nicht. Unser Nachhaltigkeits-Plan ging übrigens auch auf. Noch Jahre danach wurden wir immer wieder von Kund:innen und Mitbewerber:innen darauf angesprochen. (Da grinst er)
Zwar haben wir nach dieser Tour keine Partyboote mehr in See stechen lassen, aber die Themen „Live“ und „Musik“ waren für die Marke Drum nach wie vor wichtig. Statt klassischem Konzertsponsoring kam uns damals das Thema Festivals in den Sinn. Drum war begeistert und damit waren wir die ersten, die 1996 das Thema Festivalsponsoring mit großem Markenauftritt in Modulform neu interpretiert haben. Und deswegen dürfen wir uns heute auch mit ein bisschen Stolz „First Mover“ in diesem Bereich nennen. Schließlich hatte bis dahin niemand das volle Marketing-Potential von Festivals erkannt oder wirklich viel da rein investiert. Da waren wir Vorreiter.
Wie es sich manchmal einfach so fügt … schon verrückt. Wow, jetzt haben wir auch einen Großteil der Fragen für den ersten Interview-Teil schon hinter uns gebracht. Wenn ich mir das so anschaue, dann haben wir hier fast schon die Länge von einer ZEIT- Extrabeilage erreicht. Aber dann natürlich nur echt aus Holz mit Schräubchen und Wellpappe…
Hammer! Aber bevor wir zu den letzten Fragen kommen: hab‘ ich dir eigentlich von unserem Sensationsmailing erzählt? Das kam nämlich nach der Wellpappe-Aktion, wo du das hier gerade nochmal erwähnt hast. Also, so viel Zeit muss sein.
Nachdem das erste Mailing uns doch einige Kontakte beschert hat, wollten wir mit dem zweiten noch eins draufsetzen. Also haben wir uns was ganz Besonders überlegt. Getreu dem Motto: steter Tropfen höhlt den Stein haben wir über einen Zeitraum von 10 Wochen jede Woche ein kleines Paket an unsere Wunsch-Unternehmen verschickt. Insgesamt also 10 Stück, die man zum Schluss noch in einen passenden Schuber stellen konnte. Jede Schachtel war etwa DIN A5 groß und verkörperte eine ganz eigene Thematik. Da war zum Beispiel das Konzept-Mailing, wo drinstand: „Hier haben wir Ihnen schon mal ein paar Ideen beigelegt. Sie müssen nur noch die Buchstaben sortieren.“ Und dann lagen da einfach Buchstaben-Nudeln drin. Oder das Think big Mailing. Da war ein auf DIN A6 kleingefaltetes Poster drin, das auseinandergefaltet doppelte DIN A0 Größe hatte. Der Slogan: „Hier sieht man, dass eine kleine Agentur auch große Sachen machen kann.“ Nur so Dinger halt.
Und den Leuten hat es gefallen – größtenteils jedenfalls… Wir haben öfter gehört, dass das das beste Mailing war, was sie je bekommen haben. War ja auch ein ganz schöner Aufwand, ne? Nur einer, der fühlte sich von dem Mailing„bedroht“ und bat uns davon Abstand zu nehmen im Päckchen zu schicken. War ihm wohl zu extra. (Er lacht) Aber du wolltest mich doch was fragen? Endspurt?
Endspurt. Machen wir hier also einen harten Cut und springen ins Jahr 2007. Huberty hat zwischenzeitlich die Agentur verlassen, ein neuer Geschäftsführer ist an deine Seite getreten.
Damit einhergehend wurden auch neue Kunden aus anderen Bereichen, darunter C. Josef LAMY und TNT Express akquiriert. Parallel habt ihr für Drum weiterhin sehr erfolgreich Festivalpromotion betrieben – und das dann schon seit 13 Jahren. Es lief also recht gut. Aber dann…
Dann kam der große Knall. Ups und Downs sind zwar normal im Agenturgeschäft, aber 2007 hat es uns schon doppelt hart getroffen. Zwei große Etats, darunter auch der von Drum, sind aufgrund von strategischen oder Wechseln in der Marketingleitung fast zeitgleich weggefallen. Das konnten wir so schnell gar nicht wegstecken. Meinen neuen Geschäftspartner musste ich ziehen lassen und so blieben plötzlich nur noch Jasmin Moritz, damals noch Grafik-Auszubildende (Anm. d. Red: Sie ist heute immer noch bei R&H und macht als Art Directorin einen ziemlich, ziemlich guten Job) sowie mein damals schon langjähriger Begleiter Marc Lütkemeier übrig und ich musste schauen ob und wie es weitergeht.
Hattest du in dieser Zeit irgendwann das Gefühl alles am liebsten hinzuschmeißen?
Klar. Wir haben nach diesem harten Cut praktisch einen kompletten Reset gemacht und uns in den folgenden zwei Jahren wieder Stück für Stück hochackern müssen. Gefühlt folgte auf jeden Erfolg, eine Enttäuschung und dann kommt man schon mal ins Grübeln. Wie oft möchte man es noch probieren? Alleine, im Team oder doch wieder irgendwo festangestellt?
Letztendlich ist mir irgendwann klar geworden, dass ich eher der Typ Team bin, sowohl wegen des Sparrings bei vielen Themen, aber auch weil die Verantwortung auf mehreren Schultern stabiler verteilt ist. Außerdem wurde mir klar, dass es mir nicht darum geht, den maximalen Profit für mich zu erzielen, sondern lieber gemeinsam mit Menschen etwas auf die Beine zu stellen. Marc war deshalb, nachdem wir bereits über viele Jahre hinweg gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet hatten, meine erste Wahl als zukünftiger Teilhaber. Und jetzt stell dir vor, er sagte ja!
Marc wird uns dazu bestimmt auch noch ein bisschen was erzählen. Kam denn mit dieser neuen Aufstellung auch die Wende?
Und wie! Plötzlich kam der Anruf von Reemtsma. Sie wollen mit JPS (Anm. d. Red.: Zigarettenmarke John Player Special) auf Festivals gehen. Zwei Wochen später rief dann auch Converse an. Wir seien ihnen empfohlen worden. Ob wir Bock hätten, die Festivallandschaft mit ihnen zu rocken? Und wir hatten Bock, keine Frage!
Damit ging es dann auch endlich wieder in die richtige Richtung für Rothkopf & Huberty – und die hält bis heute an!
Wow, wenn das nicht mal ein schöner Abschluss für unseren ersten Teil dieser Interviewreihe und ein positiver Ausblick auf die folgenden Jahre ist. Aber nach so viel Agenturgeschichte haben wir uns jetzt erstmal eine kleine Pause verdient. Gehen wir also in den Backstage-Bereich und genießen ein erfrischendes Kaltgetränk, bevor wir dann in den zweiten Part starten. So viel können wir jetzt schon verraten: Es gibt noch einiges zu erzählen! 😉
Wir sagen jetzt aber erstmal tschüß und viel Spaß bei der Fortsetzung…